Was uns der Holocaust lehrt
Versuch einer zukunftssichernden Erklärung
Gliederung
Vorwort
1. Am Anfang: Die Vertreibung
2. In der Diaspora: Bonus und Malus
3. Aus Nischen in Paläste, aus Ohnmacht zur Macht
4. „Geldtransport“ – „Giro-Verkehr“
5. Die tragische Abneigung gegen den Zins und ihre Folgen
6. Die ungewollte „Übermacht“
7. Der folgenschwere Irrtum der „Antisemiten“
8. Am Ende: Die Hyper-Katastrophe
Vorwort
Der Holocaust wird gewiß nie in Vergessenheit geraten. Auch und besonders in Deutschland nicht. Andererseits reicht keinesfalls nur ein Gedenken. Vielmehr muß intensiver und konstruktiver als bisher darüber nachgedacht werden, wie eine Wiederholung einer solchen Menschheitstragödie verhindert werden kann und dann auch konkret verhindert werden sollte.
Es ist deshalb sehr begrüßenswert, wenn die Menschen in Deutschland noch heute, rund siebzig Jahre nach der Katastrophe, immer wieder über den Holocaust sprechen. Weil auf diese Weise bewirkt wird, daß dann vielleicht morgen nicht mehr so unverhältnismäßig viel - wie bisher – nur „drum herum“ geredet werden wird. Daß vielmehr dann endlich wirklich frei und offen gesprochen werden kann. In jeder Beziehung. Denn es muß unbedingt frei und offen gesprochen werden. Zwischen Juden und Nichtjuden. Und gesprochen werden sollte hier aus normalen und entspannten Gefühlen heraus. – Nicht während sich – so in Deutschland – Nichtjuden noch heute oftmals – jüdischerseits - für die hinter uns liegende beispiellose Menschheitstragödie Holocaust verantwortlich gemacht fühlen, beziehungsweise viele Juden, und wenn nur latent, noch heute fürchten, daß sich ein Holocaust durch Nichtjuden – speziell in Deutschland - wiederholen könnte.
Gewiß müssen sich Nichtjuden speziell in Deutschland immer besonders dafür verantwortlich fühlen, daß sich ein Holocaust nie mehr wiederholen kann. Man muß da - für die Zukunft - Verantwortung übernehmen und tragen. Aber hinsichtlich der Vergangenheit sollten sich die nichtjüdischen Menschen von heute unbelastet empfinden dürfen, wenn sie mit und über Juden sprechen. Wenn wir im Verhindern einer Wiederholung wirklich konstruktiv weiterkommen wollen.
Zu einer normalen Gefühlsbeziehung zwischen jüdischen Mitmenschen und Nichtjuden und dann zu einem tragfähigen Konzept gegen eine Wiederholung wird es erst dann kommen können – jedenfalls in Deutschland -, wenn der Begriff und die Erinnerung an den Holocaust – auf beiden Seiten - aus dem bisher Dunklen, dem fast Metaphysischen heraus geleuchtet werden, wenn dessen Ursachen, jedenfalls die wichtigsten, nicht nur dessen Auslöser, Anlaß, verbreitet so richtig erkannt und verstanden werden, daß man nicht mehr – auf beiden Seiten – nur Angst vor dem Unbegreifbaren hat sondern den Mut, die erkannten wirklichen und wesentlichen Ursachen für die Zukunft zu überwinden. Wenn die Tatsache Holocaust niemandem mehr, weil unbegreiflich, wie unwirklich erscheint, nicht unglaublich genannt wird, was bewiesen ist; wenn man nicht mehr einen Alptraum nennt, was kein Traum war sondern durchaus erklärbares letztlich kausales Geschehen. Damit man also beim Blick und Gehen in die Zukunft auf die – wirklichen oder jedenfalls wichtigsten - Ursachen hinreichend achtgeben kann. – Hier zu sprechen, zwischen Juden und Nichtjuden, kann zum Erkennen dieser Ursachen beitragen.
Und speziell mit jüdischen Mitmenschen speziell auch über Geld zu sprechen, sollte als angemessen verstanden werden, weil der Umgang mit Geld ein wesentlicher Teil der Entwicklungsgeschichte des Volks der Juden ist, der Umgang mit Geld, der speziell das Schicksal der Juden über die Zeiten wesentlich mitbestimmt hat – bis hin zum entsetzlichen Holocaust.
1.Am Anfang: Die Vertreibung
Zu Anfang unserer heutigen Zeitrechnung geschah es, daß ein Großteil des jüdischen Volkes aus seiner Urheimat vertrieben wurde – etwa aus dem Raum des heutigen Palästina. – Diese Vertreibung war dann nicht eine irgendwie - richtungsmäßig und zeitlich - organisierte Umsiedlung einer größeren, strukturierten Gemeinschaft, eines Volkes, keine freiwillige oder auch unfreiwillige Völkerwanderung, also eine Bewegung mit dem Ziel, irgendwo für ein Volk einen freien Raum zu finden, wo sich dieses niederlassen konnte, um dort ein eigenes Staatswesen einzurichten, und auch nicht, wo man gar erwartet oder empfangen zu werden hoffen konnte.
Die Vertreibung lief vielmehr über einen längeren Zeitraum, ohne konkretes gemeinsames Ziel, und vollzog sich in relativ kleinen, verstreuten Gruppen, Verbänden, Familien. Und in verschiedene Richtungen. Ins westlich gelegene Nordafrika, nach Norden ins heutige Rußland, nach Nord-Westen in die Balkanhalbinsel und über diese hinaus überall nach Europa hinein. Und alles Land, wo man hinkam, war bereits „verteilt“ – besetzt von Menschen und Strukturen, von fremden Menschen und fremden Strukturen, wo man von Menschen „empfangen“ wurde, ängstlich und mißtrauisch, für die wiederum die Zuwanderer ausgeprägte Fremde waren. In „alle Winde“ verstreut, fanden die Vertriebenen so nirgendwo etwa eine neue Heimat sondern allenfalls „Nischen“. Überall war für sie Diaspora. - Kein verheißungsvoller Neuanfang also.
2.In der Diaspora: Bonus und Malus
Da die heimatvertriebenen Juden sich nun in der Fremde eine neue Existenzgrundlage schaffen mußten, aktivierten sich bei ihnen in besonderem Maße – automatisch, weil notgedrungen – einige Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihnen damals und vielleicht bis heute als Boni zugutekamen.
Abgesehen von ihrer „Weltläufigkeit“ – die jüdischen Menschen kamen ja von weit her und das aus Weltgegenden, durch die weltweite Handelsstraßen verliefen, mußten sich die Vertriebenen fleißig und dynamisch einsetzen. Ein irgendwo „Zugereister“, kann sich im eigenen Interesse nicht unter einer „neuen Sonne“ ausruhen. Wer zu einem konkurrierenden Mitläufer aufholen will, darf sich nicht damit begnügen, so schnell zu laufen wie dieser; er ist genötigt, schneller zu sein. Die Voreinwohner hatten schon „alles“, was sie benötigten beziehungsweise was sie aktuell für erreichbar hielten; für die Vertriebenen war alles das erst anzuschaffen.
Und was für die Arbeitseinsatzbereitschaft, für den Fleiß also, gilt, gilt auch für das Bildungsinteresse. Die damals „Einheimischen“ wußten schon, aus Erfahrung, wie sie unter den ihnen im Lande gegebenen Bedingungen zurechtkommen konnten, die neuhinzugekommen Juden mußten das jetzt erst lernen, mußten also viel lernen. Und die Juden wurden so zu fleißigen Lernern.
Zwei weitere Boni: Gemeinschaftsgefühl und Sparsamkeit. Für die Vertriebenen damals war jeder andere Vertriebene ein Auchvertriebener, ein Mensch mit gleichem Schicksal und gleichen Aufgaben vor sich und Nöten. Und es lag bei ihnen immer im allseitigen Eigeninteresse, einander zu unterstützen, zu helfen, weil man allein in der Fremde – günstigenfalls - weniger gut zurechtkam. Aus diesem Grund heraus entstanden – so sagt man heute – „Netzwerke“ oder „Seilschaften“ zwischen - auch über räumliche Distanzen, getrennte Diasporabereiche hinweg - sich unterstützenden Menschen, Familien und Gruppen. Die Bereitschaft zu effizienter Zusammenarbeit stellte zu ihrer Zeit eine entscheidende Voraussetzung dar für Fußfassen, Selbsterhaltung und fortschreitende Erfolge der zugewanderten Juden. – Wie ebenso die Eigenschaft Sparsamkeit.
Die „Alteingesessenen“ wußten seinerzeit in der Regel, was ihnen morgen „blühen“ mochte beziehungsweise, was sie würden ernten können - von Höherer Gewalt einmal abgesehen -; sie verfügten bereits über alles für sie Erreichbare oder erreichbar Scheinende. Sie hatten demzufolge im Prinzip weniger Motivation, für die Zukunft zu sparen, schließlich auch, weil sie die Zukunft nicht kannten. Die Zuwanderer hingegen hatten ihre Zukunft vor Augen: in den Lebensbedingungen der „Einheimischen“. Sie mußten „investieren“, würde man heute sagen; und zu diesem Zweck mußten sie sparen, möglichst viel sparen. Sie übten deshalb oft gezielt – heute so genannten – „Konsumverzicht“, sie lebten – jedenfalls anfangs – gewollt bescheiden, um selbst von wenigen Münzen, die sie irgendwie erworben hatten, noch einige zurückzulegen. – Und auf diese Weise wurden die Juden schon damals bald - im Durchschnitt – „reicher“ als die Menschen ihrer nichtjüdischen Umgebung. Nicht was ihr „Gesamtvermögen“ anbetrifft; gemeint ist hier ihr Geldvermögen. Aus Heimatvertriebenen wurden also sparende Netzwerker.
Darüber mehr später. Jetzt erst nach „Bonus“ zum „Malus“. Von den mitgebrachten Vorteilen zu den vorgefunden Benachteiligungen. Den naturgemäß unvermeidbaren.
Wie gesagt, fanden die jüdischen Mitmenschen – im Norden, im Westen wie in Europa – einen „Lebensraum“ vor, der bereits „besetzt“ war. Nicht daß die erreichten Gebiete bereits übervölkert gewesen wären – ganz und gar nicht -, aber alle zu jener Zeit dort möglichen Arbeitsplätze, Erwerbsarbeitsplätze waren schon „besetzt“.
Ein Erwerbsarbeitsplatz ist ein Ort, an dem Güter produziert werden, die der Hersteller selbst benötigt oder haben möchte oder die er verkaufen möchte. Mehr als die Gütermenge allerdings, die seinerzeit von den „Alteinwohnern“ – sagen wir es einmal so -, hergestellt wurde, waren seinerzeit jedoch nicht zu verkaufen. Die Neusiedler waren so gesehen also unnötig, überzählig, mußten unvermeidbar erwerbsarbeitslos bleiben – oder gehalten werden.
Denn handeln kann man Güter praktisch nur mittels Geld – wenn man sie nicht nur per Handschlag tauschen will -; und das damals „umlaufende“, das damals vorhandene und meist nicht vermehrbare Instrument Geld reichte nur zum Ankauf der Produkte, hergestellt von den „Alteingesessenen“. Mochten die „Altbürger“ auch mehr und die „Zugereisten“ zusätzlichen – gegebenenfalls auch großen - Bedarf haben; für mehr Handel reichte das in Umlauf befindliche Geld nicht. Also teilten die bereits Beschäftigten die Arbeit innerhalb ihrer Familien, innerhalb der Zünfte auf, wollten sie nicht auf Anteile von Arbeit und Lohn zugunsten der „Neuen“ verzichten. - Egoistisch aber menschlich. Wo wäre je anders verfahren worden oder wird je anders verfahren werden ?
Zur Erklärung: Mehr Geld war nicht vorhanden, weil nicht mehr Edelmetall zur Herstellung von Geld vorhanden war – oder irgendwo in prächtigen Truhen protzte. Papiergeld gab es noch nicht.
So gingen immer knappe Erwerbsarbeitsplätze immer nur innerhalb altüberkommener Strukturen von dem Gewerbemeister auf dessen Sohn über – oder auf dessen Schwiegersohn, wenn der Meister an keinen leiblichen Sohn übergeben konnte.
Aber der junge jüdische Zuwanderer konnte nicht als Schwiegersohn eintreten, weil er – nach jüdischer Tradition - keine Nichtjüdin ehelichen durfte. Zwar gab es damals auch „eng fühlende“ – heute so genannte - Antisemiten, die „grundsätzlich“ keinen Juden in ihr Haus lassen wollten. Aber ein jüdischer Handwerksgeselle mußte die bereits etablierten „Marktbeteiligten“ seinerzeit auch deshalb kooperationsresistent machen, weil der eventuelle jüdische Schwiegersohn am Sabbat verpflichtet war, explizit nicht zu arbeiten und zudem koscher essen und auch arbeiten mußte.
War dann auch die sonstige jüdische Lebensart ganz allgemein ein Malus ? Antwort: Kein entscheidender. Wanderte heute eine auffallend große Zahl von Menschen aus Bayern mit deren Lebensart nach dem heutigen Israel aus, es entstünde auch dort ein Problem; aber eines, das gelöst würde, so wie das entsprechende damalige Problem hätte gelöst werden können. Daß die jüdischen Vertriebenen seinerzeit nur schwer einen überkommenen Erwerbsarbeitsplatz gewinnen konnten, war überwiegend ein in der seinerzeitigen Situation noch unlösbares „wirtschaftspolitisches, währungspolitisches“ Problem, ein zwangsläufiges. Die Menschen damals konnten es nicht besser; sie vermochten das damalige „Arbeitsplatzproblem“ nicht zu lösen.
3.Aus Nischen in Paläste, aus Ohnmacht zur Macht
Der tatsächliche Wert einer Ware. – Wer die Antwort auf die Frage sucht, warum seinerzeit „zugewanderte“ Juden, trotz der beschriebenen für sie sehr ungünstiger Voraussetzungen, in ihrer neuen Umgebung dennoch mit der Zeit immer mehr – im Durchschnitt – wirtschaftlich und bildungsmachtmäßig - „erfolgreicher“ werden konnten als die „Alteingesessenen“, der sollte in diesem Zusammenhang über die Frage nachdenken, was den tatsächlichen Wert einer Ware bestimmt. – Also:
Jemand, der ein Gut selbst produziert hat, neigt dazu, sich bei dessen Bewertung an dem Aufwand zu orientieren - dem kräfte- und zeitmäßigen -, den er investiert hat. Wenn er sein Gut als Ware eintauscht oder verkauft, liegt dessen von ihm „gefühlter Wert“ immer höher als der schließlich realisierbare. – Sein Handelspartner, der dann etwa mit Geld bezahlt, fühlt entgegengesetzt. Für ihn hat sein Geld immer einen - subjektiv eingeschätzten – besonders hohen Wert, weil er dieses Geld mit von ihm produzieren Waren hat bezahlen müssen, für die er seinerseits – kräfte- und zeitmäßig – „viel“, „mehr“ investiert hat. – Beide Werteinschätzungen sind falsch, weil sie in der Praxis nicht hilfreich sind.
Der tatsächliche Wert einer Ware bildet sich vielmehr erst dadurch heraus, daß ein Verkäufer sie verkaufen möchte oder muß, weil sie ihm sonst vielleicht verdirbt, besonders aber, weil er mit dem schließlich erzielten Preis ein anderes – von ihm mehr oder weniger stark begehrtes - Gut bezahlen möchte. Und der Käufer steht vor der Entscheidung, wie dringend er ihm das angebotene Gut in seinen Besitz bringen möchte. Da fragt der Verkäufer: Was passiert, wenn ich meine Ware nicht los werde ? Und überlegt der Käufer: Kann ich es aushalten, die Ware nicht erworben zu haben ? Und zwar – das gilt für beide Seiten – jetzt und sofort. Ein Glas Wasser, in der Wüste angeboten von jemandem, der dafür nur wenig hat investieren müssen, hat für den Verdurstenden einen Millionenwert, wenn der nicht mehr bis morgen warten kann. Und für den „Wasserverkäufer“ hat sein Wasser dann absolut keinen Wert - mag er auch für dieses meilenweit gelaufen sein -, wenn er es nicht losbringt, oder entsprechend weniger Wert, wenn er es vielleicht nur erst morgen verkaufen kann.
Der Wert einer Ware wird immer „ausgehandelt“, in dem Augenblick ausgehandelt, wenn diese ihren Besitzer wechselt. Selbst wenn der Verkäufer den Preis scheinbar vorschreibt, auf einem Preisschild etwa, akzeptiert der Käufer diesen Preis immer durch seine Annahme – im Augenblick der Annahme. - Und dieser Preis benennt dann den wirklichen Wert der Ware. - Alles andere sind „Wertwünsche“.
Die Alteingesessenen mochten nicht gern „handeln“. – „Handeln“ sagt wohl auch, sich zum Zeichen einer ausgehandelten Übereinkunft wechselseitig die Hand zu geben. - Nun waren allerdings seinerzeit die „Einheimischen“ von ihre Entwicklung her keine „geborenen“ Händler in diesem Sinne. Sie produzierten lieber Güter und das dann meist überwiegend zur Befriedigung nur ihres eigenen Bedarfs, und das dann dort, wo sie lebten. Als Bauern oder Handwerker. Sie verbrauchten, sie aßen das, was sie herstellten, erjagten, fanden, überwiegend selbst - beziehungsweise innerhalb ihrer Familien, „Nachbarschaften“. Und sie waren wohl meist und zu Recht stolz auf ihrer Hände Arbeit.
Was dagegen nicht Schweiß und Zeit gekostet hatte, wird für sie eher weniger gegolten haben. Und man verstand es deshalb nicht gerade als besonders ehrenvoll, von anderen Menschen erzeugte Produkte nur zu handeln. Das brachte doch kein sichtbares Mehr. – Zudem: Ohne daß die Händler ein Mehr an Gütern schufen, gereichte ihnen ihr Handel oft zum eigenen Vorteil. Sie lebten also – so war es das verbreitete subjektive Gefühl der Produzierenden - von der Leistung der Produzierenden. Was die Produzierenden wiederum, sie stolz auf ihre sichtbare „Wertschöpfung“, für wenig ehrenhaft hielten - und deshalb auch für nur gering nachahmenswert. Und weil sie nicht – nachahmend und lernend - handeln mochten, vergrößerten sie auf diesem Gebiet auch nur zögerlich entsprechende eigene Fähigkeiten und Kenntnisse. - Und überließen das Handeln oft und weitgehend den jüdischen „Neubürgern“.
Viele jüdische Menschen wurden erst in der Diaspora zu Händlern. – Diese Tatsache sollte deutlich herausgestellt werden: Die jüdischen Zuwanderer mochten zwar in ihrer Urheimat Palästina dort durchziehenden Handel erlebt, Bedeutung und Wert des Handels für die Entwicklung der Menschheit deutlicher erfahren haben – heute sieht man es wohl allgemein so, daß die Menschen ohne den Handel, nur aufs Produzieren beschränkt, für alle Zukunft Urmenschen geblieben wären, in Zelten, Höhlen oder in Pfahlbauten hausend, Getreide, Früchte, Fleisch und Fisch überwiegend nicht sowohl als auch sondern nur entweder oder verzehrend -, die Juden mochten also zwar selbst schon – „von Zuhause aus“ - über ein gewisses „Fachwissen“ als Händler verfügt und auch „Spaß“ an der Sache gewonnen haben; bevor sie aber aus ihrer Heimat vertrieben waren, waren sie dennoch überwiegend auch Bauern und Handwerker gewesen.
In der Fremde Händler zu werden, dazu wurden sie durch die Lebensbedingungen jetzt erst gezwungen. Weil sie sich dort gehindert sahen, einen Acker zu bestellen, Vieh weiden zu lassen, als Handerker Tuche und Werkzeuge und sonstige Gerätschaften, Geschirr herzustellen. Alle diese Gewerbe waren, traditions- und satzungs- und marktabsatzbedingt, den Alteinwohnern vorbehalten. - Es ist eine – bis in unsere heutige Zeit und selbst von renommierten Wissenschaftlern verbreitete - geschichtliche Unwahrheit, die damaligen Zuwanderer hätten meist und im Prinzip freiwillig ihren vorherigen Beruf als Bauern oder Handwerker aufgegeben, um in ihrer neuen Welt als Händler „ihr Glück“ zu machen, um bald oder am Ende reich und mächtig zu werden. - Nein, die Juden wurden zunächst und für lange Zeit überwiegend deshalb Händler, weil ihnen dieser Beruf die einzige hinreichende Möglichkeit offen ließ, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
Die Juden erkannten und respektierten die eminente Wichtigkeit des Geldes. – Es gibt noch heute angesehene Professoren, die erklären öffentlich, nachdem sie mit einem Taxi irgendwo angereist sind, eine Wirtschaft könne auch ohne Geld funktionieren. Die Juden sahen das aber bereits damals anders: Geld ist unabdingbar, wenn Güter „getauscht“ werden sollen zwischen Tauschpartnern, die nicht unmittelbar tauschen können, weil sie sich gar nicht persönlich begegnen oder so weit voneinander entfernt produzieren, daß sie transportierende Händler für ihren Handel einsetzen müssen. - Wenn Handel, dann Geld; je mehr Handel, desto mehr Geld.
Handel. - Und wenn dann – damals – nichtjüdische Bauern oder Handwerker Überschüsse produziert hatten, dann kamen die einmal schon überhaupt – weil keine „geborenen“ Händler - seltener als die Juden auf die „Idee“, die Überschüsse nach außerhalb ihres engeren örtlichen Bereichs zu verkaufen, und zweitens verfügten sie oft nicht über die schon zuvor angesprochenen gesparten Geldmittel, um einen entsprechenden Handel „vorfinanzieren“ zu können. Juden dagegen ersparten sich häufig dieses Geld, jeder für sich, oder liehen sich mehr angespartes Geld innerhalb ihrer „Netzwerke“ zusammen – manchmal und später auch immer häufiger bei sparsamen Nichtjuden -, kauften den Bauern und Handwerkern dann deren Überschüsse ab und verkauften sie – als Händler – „irgendwo weiter weg“. Zu ihrem eigenen Nutzen, aber zweifellos auch zum Nutzen der ehrbaren alteingesessenen Nur-Bauern und Nur-Handwerker.
Durch ihre „Gewinnspannen“ wurden die Juden dann zunehmend „reicher“ und damit in den Stand versetzt, ihren Handel auszuweiten – und so im Laufe der Zeit noch „reicher“ zu werden. – Ein „Nur-Bauer“ wirtsschaftete gegebenenfalls mit der Aufzucht von Rindern, die er als Kälber bei einem Juden eingekauft hatte; und verkaufte sie später wieder an einen Juden. Der Jude lebte von dem „Gewinn“ seiner Arbeit als Händler, ohne je Rinder zu versorgen. Aber was hätte der Bauer produzieren und verkaufen können, ohne den Handel des jüdischen Händlers ?
4.„Geldtransport“ – „Giro-Verkehr“
Kontakte und Verbindungen. -Wer über größere Entfernungen hinweg Handel treibt, gewinnt über Entfernungen hinweg Kontakte, Verbindungen, Anregungen; oder hat sie bereits – wie die jüdischen Zuwanderer damals. Die hatten „überall“ Verwandte, weil sie Juden in der Diaspora wohl meistens als ihre jedenfalls Schicksalsverwandten empfanden und behandelten. Und die Juden nutzen ihr „Beziehungsgeflecht“ nach außerhalb für ihre Aktivitäten, konnten solche Außenbeziehungsgeflechte mehr nutzen als die „Einheimischen“, die ja mit ihren Verwandten mehr konzentriert lebten. Und die Juden nutzten ihren Vorteil zu ihrem Vorteil – und letzten Endes sehr wohl auch zum Nutzen aller Menschen damals, auch der Nichtjuden. Das wurde schon angesprochen. Sie belebten, förderten damit entscheidend die für die zivilisatorische und kulturelle Entwicklung der Menschheit so wichtigen Möglichkeiten des Handels, des Wirtschaftens, der Wirtschaft.
Und zu Juden mit weiträumigen Kontakten kamen damals bald auch Nichtjuden, um ihnen ihr Geld anzuvertrauen, wenn sie Angst hatten, mit diesem Geld „im Beutel“ zu reisen und unterwegs vielleicht beraubt zu werden. Ein Jude mit „Verbindungen“ quittierte die Geldübernahme dann mit einem Dokument, gegen das die Reisenden später an ihrem Zielort bei einem Geschäftspartner des Geldbewahrers „ihr Geld zurückholen“ konnten. Tatsächlich handelte es sich dann nicht um materiell „ihr Geld“ sondern um ein solches, das dem jetzt Auszahler seinerseits von jemandem anvertraut worden war, der es sich – ebenfalls vermittels Quittung – beim ersterwähnten Aufbewahrer „wiederholen“ wollte und konnte. Giroverkehr nennt man einen solchen „virtuellen Geldtransport“ heute. „Virtuell“, weil das „reale“ Geld, das damals aus wohl Silber- und Goldmünzen bestand, ja selbst gar nicht bewegt wurde sondern in den Truhen der „Geldtransporteure“ lag. Und mit der Zeit immer länger dort liegen blieb.
Denn die Eigentümer der jeweiligen Quittungen - da wie dort - holten ihr Geld, ihr Bargeld, immer weniger oft überhaupt je wieder ab. Je bekannter und vertrauenswürdiger die Quittungsaussteller verbreitet wurden, desto leichter und üblicher wurde es für die Quittungsinhaber, ihrerseits mit den Quittungen statt mit den gar nicht mehr abgeholten Münzen zu kaufen und zu bezahlen.
Wie man sich denken und voll billigend verstehen kann, nahmen die Geldbewahrer beziehungsweise „Geldtransporteure“ für ihre tatsächlich doch wichtigen Dienste Gebühren - heute sagt man „Überweisungsgebühren“. Und auch von diesen Gebühren lebten damals die gegebenenfalls jüdischen Handelsleute. – Und die Entwicklung ging weiter. - So:
Geldverleiher machen Geld. -Irgendwann begannen die Geldaufbewahrer das bei ihnen „lagernde“ Geld, das ihnen zur Aufbewahrung anvertraut und nicht etwa ihr Eigentum war, an Dritte zu verleihen. Und wenn man hinterfragt, ob dieses Geld denn verliehen werden durfte, das dem Verleihern gar nicht gehörte, sollte man sich bis zu folgender Erkenntnis durchdenken: Aufgrund der von den Geldverleihern praktizierten Geldvermehrung – es wurde jetzt ja im Land mit dem Quittungs-, dem Papiergeld, plus dem Geld aus der Truhe Handel getrieben - konnte jetzt mit mehr Geld mehr Handel stattfinden. Mehr Handel als ohne das Mehrgeld möglich gewesen wäre. Immer im dringenden Interesse der wirtschaftlichen, zivilisatorischen und kulturellen Entwicklung der Menschen.
Und für das Verleihen des Geldes, das sonst in den Truhen vielleicht verrostet und vermodert wäre, kassierten die Verleiher wiederum Gebühren. Zinsen nennt man diese „Gebühr“ fürs Verleihen. - Und, um die „Geschichte“ abzurunden: Die verliehenen Münzen nahmen die „Banker“ – derartige Geschäfte wurden oft auf einer „Holzbank vor dem Hause“ abgewickelt – auch wiederum gegen Quittungen in Verwahr. Gegen Gebühren. Und so konnte jemand tatsächlich mit einer – nicht materiell produktiven - Tätigkeit mehr oder weniger erfolgreich seinen Lebensunterhalt verdienen – und am Ende sogar sehr reich werden. Und gleichzeitig der Entwicklung der Gesamtwirtschaft dienen.
Noch einmal zur Klarstellung: Die „Geldtransporteure“ und Geldverleiher „machten“ tatsächlich Geld - selbst. Zu ihrem eigenen Nutzen – Gebühren und Zinsen. Aber dann machten sie auch Geld, das gleichzeitig menschheitsentwicklungsgeschichtlich unbedingt benötigt wurde – und das sonst keiner „machte“ beziehungsweise machen wollte. - So lagen die Dinge nun einmal.
5.Die tragische Abneigung gegen den Zins und ihre Folgen
Zins gerecht ? - Wenn jemand selbstgebackene Semmeln verkauft, erzielt er eine Einnahme durch die direkte Schaffung eines realen Wertes. Verleiht er dagegen einen Wert – einen Sachwert oder Geld gegen Zins, kommt er an Einnahmen, ohne im Zusammenhang mit der Zinseinnahme einen realen Wert geschaffen zu haben. – So ist das tatsächlich. – Aber wenn der Leihnehmer durch den Einsatz des Leihgutes Einnahmen erzielt, was in der Regel so ist, kommt es zu diesen Einnahmen ebenfalls nicht durch seine persönliche Schaffung eines Wertes. Den Wert schafft vielmehr immer das Leihgut, das sogenannte Sachkapital oder das geliehene Geldkapital. Und das Leihkapital gehört nun einmal dem Leihgeber. Deshalb will dieser dann von dem Ertrag seines Leihgutes einen Zins für sich beanspruchen. Das heißt: Einen Teil des Ertrages seines Leihgutes - nicht den gesamte Ertrag. Denn der Leihnehmer läßt das Leihgut ja immerhin vermittels seines persönlichen Einsatzes arbeiten, deshalb will und darf und muß er auch durch den Einsatz des Leihgutes einen Nutzen für sich gewinnen. - Der Klarheit wegen sei auch noch darauf hingewiesen, daß der Leihgeber sein Verliehenes ja auch selbst und allein und dann zu seinem vollen eigenen Nutzen einsetzen könnte. - Logischerweise ist also der Zins gerechtfertigt.
Nicht dagegen selbstverständlich auch der Zins, der von einem Verhungernden erpreßt wird, damit der nicht schon heute verhungern muß. Nur heute nicht verhungern, denn morgen schon kann er ja von dem geliehenen Almosen nicht mehr leben, er muß das Geliehene doch zurückzahlen. Zins von Notleidenden zu kassieren, heißt, inhumaner Weise Notleidende zu erpressen, ist also Erpressung. Investitionskredite mit Zinsen zu belegen bedeutet dagegen, vom Ertrag seines Leihgutes „mitzuverdienen“. – Doch redlich, oder ?
Einem Mitdenker, mag jetzt aufgefallen sein, daß hier einmal das Verleihen von eigenem Geld gegen Zinsen die logische und moralische Rechtfertigung erteilt wurde, danach dann aber auch von Zinseinnahmen aus dem Verleihen von fremdem Geld die Rede ist.- Auch gerechtfertigt ? – Nun: Einmal trägt der Leihgeber das Risiko, wenn er das weiterverliehene Geld zwar selbst zurückzahlen muß, aber selbst nicht zurückbekommt. Zweitens macht er sich – immerhin – die Mühe des Verleihens, die Arbeit. Drittens könnte er das geliehene Geld ebenso selbst und zu eigenem Nutzen einsetzen. Warum sollte er es dann „zinslos“ hergeben. Gewiß dann, wenn er selbstlos sein wollte. Aber - viertens: Die Wirtschaft, der er das verliehene Geld zur Verfügung stellt, setzt es danach ein zu ihrem eigenen Nutzen, also gar nicht selbstlos. – Mit der „Selbstlosigkeit“ ist das schon so eine Sache, nicht wahr ?
Zins - wann gerecht ? -Und unsere Verständnisbereitschaft gegenüber Geldverleihern muß auf eine noch härtere Probe gestellt werden:
Anfangs waren Münzen als Geld-Kaufkraft im Umlauf. Münzen, aus Edelmetallen meist, die die „Obrigkeit“, Kaiser, Könige, Fürsten und so, ausgegeben hatten. Da immer nur zu wenig Gold und Silber ecetera zur Geldherstellung zur Verfügung stand, litt die Wirtschaft zwangsläufig immerzu unter Geldmangel, Geld als Kaufkraft. Bis es dann zu von „Bankern“ gemachtem zusätzlichem Geld kam. Dann als die Geldaufbewahrer für bei ihnen aufbewahrtes Geld „Quittungen“ in Umlauf brachten, welches fortan neben dem Münzgeld zusätzlich umlief und zusätzlichen Handel ermöglichte, und diesen Münzaufbewahrern, weil die Quittungen schließlich immer öfter gar nicht mehr eingelöst wurden, die Idee kam, das bei ihnen aufbewahrte Münzgeld zu verleihen – auf diese Weise die Geldmenge insgesamt – wie allgemeinwirtschaftlich fortlaufend notwendig – doch wesentlich vergrößernd.
Da nun Leihnehmer von Münzen also auch diese Münzen immer öfter beim Münzverleiher wiederum gegen Quittungen deponieren mochten, verlieh der Geldverleiher am Ende einfacherweise gleich Quittungen. Und diese Quittungen waren vom Verleiher selbstgemachtes Geld. Und dieses selbstgemachte Geld verlieh der Verleiher - gegen Zinsen ! – Moralisch gerechtfertigt dieses „Verfahren“ ?
Ja, insofern moralisch gerechtfertigt, weil das zusätzliche Geld unbedingt her mußte. Und wer hätte es ausgeben sollen wenn nicht der Geldverleiher ?
Hätte er es wenigstens herschenken sollen, zinsfrei ? Es gehörte doch „eigentlich“ weder dem Geldverleiher noch jemandem, von dem es dieser geliehen hatte; es war ja „Geld ohne Eigentümer“, niemand hätte es verloren. – Antwort: Aber dann hätten all die vielen Geldleiher ihr Geld zuletzt selbst gemacht, jeder für sich. Es hätten unkontrolliert viel und extrem verschiedene „Gelder“ auf den Markt gedrängt. Und diese „fragwürdigen“ Gelder hätte niemand mehr angenommen. So wäre entsprechendes Geld als Menge nicht aktiv geworden. Erhielten doch die „Quittungen“ ihren „Wert“, ihre Vertrauenswürdigkeit, ihre Funktionsfähigkeit als Kaufkraft durch das Vertrauen, das man „draußen“ dem „Geldmacher“ entgegenbrachte. Dem Geldmacher, den man entweder kannte – oder an den man „vertrauensvoll glaubte“.
Das „Verfahren“ war unverzichtbar. Deshalb ist es unrealistisch, in diesem Zusammenhang über die Moral des „Zinsnehmens“, der doch immerhin Entlohnung des Geldmachers, nachzudenken !
6.Die ungewollte „Übermacht“
Wie „sie“ reicher wurden. -Und so wurden die Geldaufbewahrer, die Geldverleiher, die Geldmacher immer reicher. - Alle ? - Gewiß nicht alle zugewanderten jüdischen Mitmenschen, von denen hier die Rede ist und denen man praktisch aufgezwungen hatte, in dieser speziellen Branche zu arbeiten, wurden wohlhabend. Vielleicht überdurchschnittlich viele. Und selbstverständlich verstanden auch Nichtjuden oft etwas von „Geschäften“. Wenn auch – damals - das Talent eines Menschen im – sagen wir – dunklen und engeren Norden „von Natur aus“ häufig ein anderes gewesen sein wird als das eines „Weltbürgers“ aus dem hellen und weiten Süden. Jedenfals darf man es den „Alteingesessenen“ nicht verübeln, wenn sie seinerzeit die „Neubürger“ nicht mit offenen Armen empfingen sondern diese ausgrenzten. Aus empfundener „Notwehr. Wie lebte man doch vor tausend Jahren im heutigen Europa, in Siedlungen, Städten, engen Gassen, nur notversorgt oder jedenfalls notgesichert durch die damals alles beherrschende „Verteilerplanwirtschaft“ der Zünfte o.ä..
Zur Klarheit hier: Die Judendiskriminierungen und Verfolgungen im Mittelalter und danach, die zweifellos viel zu oft unsäglich schlimme und grausame Pogrome waren, kann man nicht genug ernst nehmen, darf man nicht hinsichtlich ihrer geschichtlichen Relevanz herabmindern, aber sie waren unvermeidbare Ereignisse auf dem Weg der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsgeschichte der Menschheit - Die Geschichte schafft ihre Menschen in ihrer Zeit.
Jedenfalls kamen die Juden, viele von ihnen, da sie Geld doch häufiger als Fortschritt ermöglichendes Instrument schätzten denn als Köder des Teufels fürchteten, im Laufe der Zeit zu vielem Geld. Und damit zu Bildung, Ansehen, Einfluß und – auch Macht. Auch Nichtjuden brachten ihnen Geld, um es – indirekt – mit – verpöntem – Zinsgewinn „anzulegen“. Oder liehen sich bei Juden „im Dunklen“ Geld, weil ihr Stolz sie das Licht scheuen ließ. Von allen Seiten kam Geld, nach allen Seiten floß es – über die „Banken“ der Geldwechsler und Geldverleiher. – Selbst Kaiser, Könige, Fürsten und amtsfromme Würdenträger benötigten und liehen sich Geld bei „ihren Juden“, das diese bei Juden und Nichtjuden eingesammelt hatten und das die Kreditnehmer für ihre Geschäfte und ihre Kriege einsetzen. Nicht selten war der entsprechende „Bedarf“ von in die Geschichtsbücher eingegangener gewaltiger Größe.
Wie „sie“ mächtig wurden. -Und es wurde so die Macht mancher Juden durchaus da und dort zu einer Übermacht – zu einer ungewollten. Denn mögen die Methoden der Menschen mit der ausgeprägten Kompetenz in „Gelddingen“ auch manchmal „schlitzohrig“ gewesen sein, „kriminell“ im heutigen Sinn waren sie – von „kriminellen Ausnahmen abgesehen – wohl nie. Sachkunde und Durchblick, manchmal Mut vielleicht, sind ehrenwerte Fähigkeiten und Eigenschaften. Der eine spannt das Seil auf, der andere läuft darüber. Beide sind sie unentbehrliche Mitglieder der „Truppe Mensch“.
„Eulenspiegeleien“. -Um nicht polemisch zu wirken, sollte man es vielleicht besser verschweigen. Aber: Was sich nichtjüdische Obrigkeiten während der Jahrhunderte oft für „Eulenspiegeleien“ leisteten, gibt Stoff für ein lustiges - oder doch tragisches ? – Buch. – Obwohl sie die Organisation und Kontrolle des Geld-, Finanz- und Kreditwesens ihres Staates, ihres Hoheits- und Machtgebietes selbst in die Hand hätten nehmen können, überließen sie dieses „schwierige“ – und vielleicht oft deshalb „schmierig“ genannte - „Geschäft“ allzu oft und ohne wirklich zwingenden Grund „Bediensteten am Hofe“ oder „ausgelagerten Unternehmen“ – jüdischen. Ein berühmter großer König beispielsweise hätte Geld für sein Volk und für sich selbst auch selbst herausbringen können; doch er übertrug die Beschaffung von Edelmetallen fürs Geld und die Anfertigung des Geldes unabhängigen – und eigeninteressieren – Einrichtungen. Diese durften so viel Geld „machen“ wie sie mochten und dieses ausgegeben, für was sie wollten. Seine Majestät beanspruchte nur immerfort x Prozent vom jeweiligen Neugeld. Und er animierte zu mehr Geldausgabe, um seine „Provision‘“ zu vergrößern.
Und seine Majestät – und auch andere nichtjüdische Menschen damals – liehen sich zudem sehr oft viel Geld bei „ihren“ jüdischen Geldverleihern. Und wenn die Schuldner ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten oder mochten, nahmen sie das immer wieder ausgerechnet den Gläubigern, also dann meist den Juden übel. Was immer wiederholt zu deren Ausweisungen, Verfolgungen, Folterungen, zu Einzelmorden an ihnen und den schon oben angesprochenen schlimmen Pogromen führte. Weil man das Prinzip Geld nicht wirklich verstand, es deshalb nicht hinreichend und gegebenenfalls selbst organisieren konnte, wurde man immer wieder zum kreditbetrügerischen Verbrecher. - Ja so sans - gewesen – die Vorfahren, manche, zu viele. – Hier ist demütiges Schweigen angesagt.
Trotzdem wurden manche Juden im Land reicher und mächtiger, manche immer reicher und immer mächtiger, sehr reich und sehr mächtig.
7.Der folgenschwere Irrtum der „Antisemiten“
Unstreitig gab es im Laufe der Geschichte fortlaufend Judenfürchter, Judenfeinde, Judenhasser – warum heißen die eigentlich „Antisemiten“ ?, welche „die Juden“ ausgrenzen wollten, weil diese Juden - den Juden - Jesu … . oder weil „die“ – manchmal – etwas anders aussehen oder subjektiv komisch auftreten. Oder weil sie dem einen oder anderen ein Geschäft oder eine Frau streitig gemacht hatten. – Ähnlich gibt es auch heute immer dumme und bösartige Antipreußen oder Antibayern. Weil Borussia BM geschlagen hat – oder umgekehrt. Aber wenn auch derartige und andere primitive Ressentiments viel zu oft entsetzliche Exzesse, Pogrome verursachten, kompatible „Vorspiele“ der finalen Tragödie Holocaust – 1933-1945 - waren sie jedoch nicht. Erwähnte dummen Ressentiments waren im späteren Höllengewitter schon auch zu vernehmen, doch selbst wenn es sie nicht gegeben hätte, so hätte der zentrale Zünder genügt, die - vorher in ihrem Ausmaß nie dagewesene - Katastrophe auszulösen.
Was war der „zentrale Zünder“ ? Antwort: Es gab zwei „Zünder“: Die deutsche Hyperinflation von 1920/23 und die große „Wirtschaftskrise“ mit Massenerwerbslosigkeit von 1929/33. Diese beiden Katastrophen wurden vom deutschen Volk – irrtümlich und von der NS-Propaganda entsprechend verführt – mehr und mehr und schließlich absolut „den Juden“ angelastet. Den reichen und mächtigen, dem sogenannten Jüdischen Finanzkapital. Was eine in jeder Hinsicht falsche Beurteilung war – die aber schließlich zum Holocaust führte, ihn einleitete. – Wir kommen noch einmal darauf zurück – deutlich. – Zunächst die Beschreibung der beiden Katastrophen:
Erste Katastrophe: Die deutsche Hyperinflation. - Zwischen den Jahren 1920 bis 1923 wurden Deutschland und die Deutschen von einer wirtschaftlichen und sozialen „Krise“ eines Ausmaßes heimgesucht – „Krise“ statt deutlicher „Katastrophe“ wird hier gesagt, weil die Katastrophe Holocaust nicht herabgestuft werden darf - , eine katastrophale Krise also, wie es sie vorher auf der Welt nie gegeben hatte und danach nicht wieder gegeben hat. Auch nicht in sogenannten rückständigen oder von Despoten, Tyrannen oder „Verrückten“ geführten Staaten: Die sogenannte Mega-Inflation.
Eine Briefmarke für 1 Billion Mark. - 1920/21 passierte „es“, es brach der absolute Wahnsinn aus: Ziemlich plötzlich und schnell waren damals alle Geldvermögen einfach weg, hatten sich in Nichts aufgelöst. So als hätte eine Geisterhand sie verschwinden lassen. Anfangs rannten die Menschen so schnell, wie sie konnten, mit dem Geld, das sie soeben erst in die Hand bekommen hatten, um es schnellstens wieder gegen Waren herzugeben, die quasi im Stundentakt teurer wurden. Es herrschte so etwas wie Panik. Man kaufte auf der Post Briefmarken mit dem Aufdruck: 1 Billion Mark. Eine Eins mit zwölf Nullen – für eine Briefmarke !
Und am Ende bekamen die Menschen für 1 Billion von dem Wahnsinnsgeld eine neue Mark eingetauscht. Und vorher hatten Schuldner Verbindlichkeiten in Höhe von – sagen wir – 100.000 Mark tilgen können, in dem sie dem Gläubiger 100.000 Wahnsinnsmark hingaben, für die sich der ausbezahlte Gläubiger zu schlechter Letzt weniger als einen neuen Pfennig zurücktauschen durfte.
Das Geldvermögen eines eventuellen Altersselbstversorgers war auf diese Weise – futsch.
Obwohl keine Naturkatastrophe. - Dabei handelte es sich damals keinesfalls um eine Naturkatastrophe. Kein eingeschlagener Riesenmeteorit hatte die Vermögen vernichtet, kein strahlengesteuerter Eingriff unbekannter Wesen aus dem All die Menschen arm werden lassen. Und kein strafender Wille Gottes hatte „leeren Tisch“ gemacht. Nein, die Inflation vor 1923 war nicht von einer Höheren Gewalt verursacht sondern von Menschen organisiert worden. Die gleichen Menschen, die sie zu verantworten hatten, hätten sie auch nicht machen können.
Das Drehbuch dieser Hyperinflation. - Eine Beschreibung der damaligen Entwicklung:
Erster – noch einigermaßen harmloser - Fehler: Deutschland hatte 1918 den Krieg verloren und war von den Siegermächten zu Reparationszahlungen verpflichtet worden. Zu leisten wesentlich in Sachgütern. Die Menschen, die die Sachgüter herstellten, wollten bezahlt werden – und zwar mit Mark und Pfennig. Mit Geld, das man allerdings nicht durch den Verkauf von Waren wieder hereinbekam; man mußte die Reparationsgüter ja kostenlos liefern.
Dadurch, daß nun Güter aus dem Markt abflossen, die Geldmenge aber nicht entsprechend geringer wurde, war der Wert der Mark jetzt schon einmal rückläufig. Indem der Staat dann aber zusätzlich Geld druckte oder als Giralgeld gutschrieb, um den Reparationsgüter produzierenden Menschen ihren Lohn zahlen zu können – was er tat -, drückte er den Geldwert weiter nach unten.
Das war ein letztlich nicht unvermeidbarer Fehler. Er hätte besser aus Steuereinnahmen und/oder eventuellen Lastenausgleichsumlagen entlohnen sollen. Deutschland hatte den Krieg verloren und Reparationen konnten praktisch nicht ohne weiteres verweigert werden; das Volk, und zwar das gesamte, die Besitzer von Geld- und von Sachvermögen, alle hätten also zahlen müssen, dann gleich, ob aus Steuern oder gerechteren Umlagen oder aber durch eine Kaufkraftabwertung. - Der Staat aber setzte die damalige Inflation in Gang !
Ein krimineller Fehler. - Zweiter – ziemlich krimineller - Fehler: Die Staatskasse mußte damals nicht nur die Deutschland von den Siegermächten auferlegten Reparationen bezahlen sondern – eigentlich - auch hohe Schulden bei eigenen Bürgern tilgen. Diese Bürger hatten den verlorenen Krieg dadurch vorfinanziert, daß sie dem Staat über den Ankauf von Kriegsanleihen Geld geliehen hatten. Weil der Staat, nun als Kriegsverlierer, jetzt nicht hinreichend flüssig war, kam er auf eine sehr schlimme Idee. Er minderte durch eine unverhältnismäßige Geldmengenvermehrung den Wert des umlaufenden Geldes, zahlte dann mit jetzt wertgemindertem Geld seine nominal ausgewiesene Schuld an seine Gläubiger zurück und machte sich dadurch – formaljuristisch unanfechtbar - schuldenfrei. Der Gläubiger bekam über die Schuldentilgung nur einen Nominalbetrag zurück, der meist real wertlos war.
Diese Art der Schuldentilgung war nicht nur mies sondern nicht einmal mit den Augen des Staates gesehen alternativlos. Man hätte die Schulden auch einfach per Gesetz streichen oder mindern können. Der Staat hatte den Krieg verloren; der Staat, das waren die Bürger; also hätte der Bürger jetzt zahlen müssen.
Angemessen wäre in diesem Fall selbstverständlich gewesen, daß der Staat nicht nur die Besitzer von Geldforderungen sondern – über einen Lastenausgleich – auch die Besitzer von Sachgütern zur Kasse gebeten hätte. Eine entsprechende Vorgehensweise wurde schon vorher angesprochen. Oder der Staat hätte die Schuldentilgung auf einen Tag X hinausgeschoben, anschließend eine erfolgreiche Konjunkturpolitik in die Wege geleitet, durch diese höhere Steuereinnahmen bewirkt und mit den Steuermehreinnahmen langsam aber stetig seine Schulden zurückgezahlt. - Schließlich hätte er die Schuldentilgung sogar schlicht und einfach mittels Steuererhöhungen bewerkstelligen können.
Man kann die Alternativen nicht oft genug aufzählen, damit sich die Bürger in Deutschland heute nicht vor der Wiederholung derartiger „Höherer Gewalt“ fürchten müssen. Aber der Staat ging den miesen Weg. Und damit entledigte er nicht nur sich selbst seiner Schulden sondern entschuldete gleichzeitig ungezählte nichtstaatliche Schuldner, die nun ebenfalls ihre nominalen Schulden mit real wertlosem Geld zurückzahlen konnten. Ein Beispiel: X, der mit von Y geliehenem Geld einen Hektar Baugrund erworben hatte, konnte jetzt mit dem Erlös von nur einen weiterverkauften Morgen Land seine gesamte Nominalschuld an Y zurückzahlen.
Ein grotesker Fehler. - Der dritte Fehler war dann kein wenigstens noch gedanklich logisch nachvollziehbarer Fehler mehr sondern eine groteske Aktion inkompetenter und panikgetriebener Verantwortlicher.
Zunächst hatte die im Zusammenhang mit den deutschen Reparationsverpflichtungen und den Staatsschulden nach 1918 betriebene Geldmengenvermehrung nur eine gerade noch vernunftbegrenzte Geldwertminderung, Inflation zur Folge gehabt. Man mochte seinerzeit vielleicht noch nachvollziehen, daß Forderungen von Gläubigern mit Kriegsanleihen von im Durchschnitt 1000 Mark über eine Geldwertminderung im Verhältnis 1000:1 „getilgt“ worden wären. So hätte der Gläubiger seine 1000 Mark verloren und eine zuvor 1-Mark-Briefmarke hätte jetzt 1000 Mark gekostet. Aber: Die Verantwortlichen damals müssen angesichts der nun zu verzeichnenden Inflation offenbar gemeint haben: Wenn die Preise steigen, müßte zusätzliches Geld in Umlauf gesetzt werden, damit die zwischenzeitlich teurer gewordenen Waren auch mit - mehr - Geld bezahlt werden können. Also ging man nicht etwa davon aus, daß die Preise deswegen anstiegen, weil zu viel Geld Nachfrage ausübte, sondern vermehrte nachträglich die Geldmenge, weil eine allgemeine Preiserhöhung festgestellt wurde. Und gemäß dieser Fehleinschätzung verfuhr man Woche für Woche, schließlich Tag für Tag weiter: Immer mehr Geld, angeblich weil Preise erhöht; und dann stiegen die Preise, weil weitere – hier darf man mal sagen – ungedeckte Kaufkraft losgelassen worden war. Million für Million, Milliarde für Milliarde, schließlich Billion für Billion. Man hätte das fortsetzen können bis in die Trilliarden. Zum Schluß waren tatsächlich Trillionen Mark im Umlauf. Man kam mit dem Geldscheindrucken gar nicht mehr nach, überdruckte etwa einen 1-Millionen-Schein einfach mit fetten schwarzen Lettern mit „1 Milliarde Mark“.
Bis doch jemand, der noch etwas kühlen Kopf behalten hatte, die Notbremse zog.
„Währungsreform“ 1923. - Ein renommierter Wirtschaftswissenschaftler und ein ebenfalls anerkannter Finanzminister der damaligen Zeit, die beide dem irrationalen Treiben immerhin über Jahre zugesehen hatten, initiierten beziehungsweise bestimmten politisch – jetzt erst, daß nach dem 15. November 1923 eine Geldeinheit zum Nominalwert von 1 Billionen Mark gegen eine neue zum Nominalwert von nunmehr 1 Mark umgetauscht werden konnte.
Historisch ist es damals so abgelaufen, daß diese gesamte „Währungsreform“ auch noch völlig unnötigerweise verkompliziert wurde. In relativ kurzer Zeit wechselte man zunächst die alte Mark in eine sogenannte Rentenmark um, diese nach einer kurzen Atempause in die spätere Reichsmark. Und ausgegeben und umgetauscht wurde von einer für die breite Bevölkerung nicht mehr überschaubaren Zahl von staatlichen, halbstaatlichen und privaten Einrichtungen, zu den kompliziertesten Bedingungen und mit den kompliziertesten Argumenten. Und da das Volk mißtraute, die Nachfolgewährung des Billionengeldes könnte nicht dagegen gefeit sein, früher oder später ebenfalls verrücktzuspielen, mußte man dem „von Deckungsideologien erfüllten Volk ...“, wie einmal ein Wirtschaftswissenschaftler geurteilt hat, damit die Meinung vieler anderer unbefangener Kollegen wiedergebend, etwas vormachen, „ ... etwas anderes erfinden, das hinter dem Gelde stehen konnte“. Man „erfand“ also „für das Volk“ eine „Deckungskonstruktion“, nach der das aktuelle Geld, „fundiert auf Grund und Boden“ wertbeständig sei. Man erfand die sogenannte Rentenmark. Abenteuerlich, so zu argumentieren ! Wie hätte je ein Bürger, der Angst um sein Geld hatte, sich ausgerechnet an „Grund und Boden“ sichernd schadlos halten sollen, können ?
Die zweite Katastrophe: Die Medizin gegen die Inflation war tödlich – Die „Wirtschaftskrise“ mit Massenerwerbslosigkeit von 1929/33. - Doch 1923 vertraute das Volk nicht den Politikern, und die Politiker vertrauten sich selbst auch nicht. Und das Ausland vertraute der neuen deutschen Währung ebenfalls nicht. Die Inflationsangst überall war übermächtig. Deshalb legte man die Währungspolitik nun an eine Kette, wiederum an die Kette von früher, die „goldene“. Mit dem Reichsbankgesetzt vom 30. August 1924 führte man die sogenannte Goldwährung, die man 1914 als unvernünftig, weil völlig unpraktikabel aufgegeben hatte, wieder ein. Durch Verträge und Gesetze wurde festgelegt, daß die umlaufende Geldmenge – jetzt wieder in Reichsmark - fortan zu 40 Prozent durch Gold- und Devisenvorräte gedeckt sein müsse. Obwohl die Wertsicherheit der Währung leicht auf andere Weise hätte gesichert werden können. Man unterstellte einfach, daß eine Geldmenge, die an eine naturbedingt knappe Goldmenge gebunden, gekoppelt würde, niemals inflationär aufgebläht werden könnte. Mit dieser Unterstellung hatte man zwar Recht. Aber: Wenn die Wasserzuweisung für einen Menschen so knapp bemessen wird, daß ihm täglich nur einen Fingerhut voll zur Verfügung steht, wird er zwar niemals im Wasser ertrinken – aber er wird verdursten.
Die deutsche Wirtschaft nach Wiedereinführung der Goldwährung ertrank zwar dementsprechend nicht wieder in einer Inflation, aber sie vertrocknete, sie trocknete aus. Oder so gesagt: Sie erdrosselte sich mit der „Goldwährungssicherheitskette“.
Nach 1923 stieg auf dem deutschen Markt der Bedarf nach Gütern; und auch die Möglichkeit, Güter in entsprechender Menge herzustellen stieg; aber die Geldmenge, die Kaufkraftmenge, die Kaufmöglichkeit blieb gefesselt beziehungsweise wurde nach unten gezogen. Ein Bild: Man stelle sich ein Schiff in einer Schleuse vor, oben angebunden. Jetzt soll das Wasser in der Schleusenkammer abgelassen werden, was gewünscht wird und was technisch möglich ist. Aber das Schiff bleibt oben angebunden. Und erhängt sich.
Kaufkraftmangel, Absatzmangel, „Überproduktion“, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise. -
Jetzt stiegen – nach 1923 ging es ja zunächst einmal durchaus aufwärts - die Produktionsmöglichkeit, die Produktionskraft, das potentielle Güterangebot auf dem Markt, die Zahl der Anbieter. Aber die Geldmenge stieg nicht entsprechend mit. Die wachsende Größe des Güterangebots und die wachsende Zahl von Güteranbietern mußten sich in eine ziemlich fixe Geldmenge teilen, beziehungsweise in eine sogar immer kleiner werdende Geldmenge teilen. Deutschland hatte sich nämlich dem Ausland gegenüber verpflichtet, Auslandsverbindlichkeiten in Gold zurückzuzahlen. Diese Verpflichtung kostete Deutschland um 1930/31 mehr als die Hälfte seines Goldbesitzes. Und entsprechend mußte nun die dem Markt zur Verfügung stehende Geldmenge, die ja mit der 40-Prozent-Fessel an die Goldbestände gebunden war, immerzu reduziert werden. Von 1929 bis 1932 mußte so die Geld-/Kaufkraftmenge in Deutschland um 30 Prozent verringert werden. Während England 1931 das System des Goldstandards verließ, ging der mögliche Güterabsatz in Deutschland wegen seiner Goldwährung Jahr für Jahr zurück. Man war bald und mehr und mehr gezwungen, Arbeitskräfte zu entlassen, weil produktionstechnisch mehr produziert, aber nicht entsprechend mehr abgesetzt werden konnte. Wollten Unternehmen die Preise senken, um gegen eine gleiche Geldmenge mehr absetzen zu können, brachte man sich um das Kosten-Einnahmen-Gleichgewicht, denn wenn die Preise gesenkt werden mußten, blieben die Verpflichtungen – jedenfalls die langfristigen – „unreduziert“. Und wenn die Preise nach unten gingen, zögerten die Käufer mit dem Kaufen, hemmte das den Absatz. Und weil die Konjunktur jetzt lahmte, Erwerbslosigkeit hochsprang, hielten es die Menschen wiederum für ratsam zu sparen. Die Politik forderte zudem ausdrücklich zum Sparen auf. Und gespartes Geld läuft dann langsamer um als kaufaktives; so verringerte sich die Kaufkraftmenge zusätzlich, die sich aus Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit ergibt. Und so konnte wieder noch weniger abgesetzt werden, mußten die Preise möglichst weiter gesenkt werden. Ein Teufelskreis:
Deflation. – Es war zu wenig Geld im Umlauf. Das brachte zu wenig Absatz, ruinös sinkende Preise, sinkende Produktion, mehr und mehr Erwerbslosigkeit, am Ende rund 7 Millionen Erwerbslose. Man steckte in einer Deflation. Man hatte die Wirtschaft deflationär erdrosselt.
Eine Deflation entsteht, wenn die Kaufkraftmenge nicht mit der wachsenden Produktionsmöglichkeit (und einem steigenden Bedarf) mitzieht. Und was bewirkte die Deflation vor 1933 schließlich? Sagen wir es so: Gegen Ende der ersten deutschen Republik war das Volk – wie während der 23-er-Inflation – „unzufrieden“. Und bei den Wahlen reagierte es entsprechend. Endergebnis bekannt.
Weimarer Währungspolitik: Dramatisch und skurril. - Nachfolgend noch einige Anmerkungen über konkrete Folgen der während der Weimarer Republik betriebenen Währungspolitik:
a) Zuerst ein paar Zahlen: Auf dem Höhepunkt der Inflation waren 1923 30 Papierfabriken in Deutschland damit beschäftigt, für die Notenbank beziehungsweise deren Subunternehmen Papier zur Herstellung von Geldscheinen zu produzieren. Dreißig Papierfabriken ! In rund 130 (!) Druckereien stellten an rund 1.700 (!) Druckmaschinen rund 30.000 (!) Drucker bis zuletzt Geldscheine im Nennwert von insgesamt rund 520 Trillionen her. Eine Trillion ist eine Zahl mit 15 Nullen, mit fünfzehn ! Auf unterstellte 52 Millionen Menschen in Deutschland entfielen also je rund 10 Milliarden Reichsmark. Pro Kopf ! Am Ende wurden Geldscheine mit einem Einzelnennwert (!) von 100 Billionen Mark gedruckt.
b) Rudolf Pörtner, Alltag in der Weimarer Republik. Düsseldorf 1990: „Das Ehepaar Pörtner hatte sich 1922 entschlossen, ein Haus zu kaufen. Kosten: 800.000 Mark. Als wir am 1.4.1923 einzogen, war das ein Betrag, der nicht mehr zu beunruhigen vermochte. Ein Griff in die Westentasche genügte, alle Verbindlichkeiten einschließlich der hypothekarischen Eintragungen aus der Welt zu schaffen.“
c) Curt Riess, „Weltbühne Berlin“ in Rudolf Pörtner, Alltag in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1990: „Gehaltsempfänger mußten am Ende des Monats feststellen, daß sie für den Lohn, den sie erhielten, so gut wie nichts mehr kaufen konnten. Um diesem Desaster abzuhelfen, wurde es zu Regel, daß Angestellte täglich bezahlt wurden. Dann sausten sie in die nahen Geschäfte und kauften. ... Mein Vater hatte mir für 14 Tage 14 Dollar in Scheinen mitgegeben, die man in Mark umwechseln konnte. Er hatte mir eingeschärft, jeden Tag zu warten, bis um 15 Uhr der neue $-Kurs verkündet wurde. Für die entsprechende Mark-Summe konnte ich dann die tägliche Pensionsrechnung, die Straßenbahn, eine Karte für die Oper bezahlen, wenn ich überhaupt die Unsummen an Mark innerhalb von 24 Stunden ausgeben konnte."
d) Fritz Tarnow, Mitglied des Reichswirtschaftsrates, „Welt der Arbeit“, 17.10.1949: „Im Oktober 1923 befand sich der Gewerkschaftsvorstand in düsterer Stimmung. In einer Sitzung des Parteivorstands mit Mitgliedern des Reichskabinetts herrschte die gleiche Ratlosigkeit. Ich ging mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Rudolf Wissell zu Reichskanzler Stresemann, der erschöpft und abgekämpft am Schreibtisch saß. Stresemann: ´Das Volk geht zugrunde, und hier sitzt eine Regierung, die auch nicht helfen kann. Wenn das Volk aufsteht, uns an die Laternenpfähle hängt – kann man es ihm verdenken?’ Finanzminister Hans Luther stürzte wie ein Gejagter ins Zimmer, rannte auf und ab und ließ sich mit einem Stöhnen in einen Sessel fallen. Er nannte die Gewerkschaftsführer ´verbrecherisch, dumm und irrsinnig´ und meinte, Stresemann verstehe nichts von der Währung. Wissell und ich saßen da wie die betrübten Lohgerber, denen die Felle weggeschwommen sind.“
Ungezählte solcher Geschichten. – Man kann sie nicht alle aufzählen, man sollte es auch nicht, weil man ja Optimist bleiben möchte. Aber die Weimarer Republik war tatsächlich „grausam“. Und die entsprechende Grausamkeit verursachte 1933 abrupt einen Vulkanausbruch, einen mit am Ende apokalyptischer Explosionswirkung – dem Holocaust. - Nach 1945 beruhigte sich der Vulkan zwar wieder, wurde zum Ausstellungstück in einem historischen Panoptikum. „Wenn der Hitler nicht gekommen wäre, wäre am Ende alles gut gegangen“. Aber man lese bei Einzelnen von zahllosen Schriftstellern nach, die die Zeit beschreiben.
Wie ärmste Bauern Futter für zwei Kühe auf Kredit kaufen mußten, für Kühe, die ihnen Milch für den Verkauf gegen Geld liefern sollten. Deren Milch sie aber nicht verkaufen konnten, weil ihren Kunden das Geld fehlte. Und die deshalb ihren Kredit nicht zurückzahlen konnten – ihnen die Kühe gepfändet wurden.
Oder man höre zu, was die Oma von deren Oma berichtet bekommen hat. Wie sie mit wehenden Schürzenbändern zum Tor der Fabrik ihrer Mannes gelaufen sei, der Fabrik, bei der der Mann 60 Wochenstunden raubbaumäßig Knochen, Herz und Lungen verzehrende Arbeit leisten mußte; dorthin wo ihr der Familienernährer einen großen Korb voll Geldscheinen entgegenbrachte, den Tageslohn – den aber der Kaufmann im Viertel gar nicht annehmen mochte, für was auch immer, weil das Geld für ihn morgen absolut wertloses Altpapier sein würde. So wurde das Geld im Korb in der Küche der Arbeiterfrau zu Schmutzpapier – ohne daß sie etwa damit hätte „Brot“ einkaufen können.
Sehen wir uns an die erste Folge eines Heimatfilmes aus dem Hundsrück, aus Schabbach („Heimat“ von Edgar Reitz), wie die Menschen dort „in der Weimarer Republik“ vegetierten, so daß ihre Aufnahme in die „Schutzabteilung SA“ einer „Nichtsystempartei“, wie die NS-Leute diese nannten, für sie ein befreiendes Erlebnis werden mußte.
Und noch einmal die Oma: Die erzählt, was ihr die Großmutter hat erzählen müssen: Wie also der Ururgroßvater 1918 aus dem Krieg nach Hause kam. Körperlich und moralisch am Boden. Die dort nach Jahren wiedergesehene Familie an Hunger-Schwindsucht erkrankt. Es fehlte an allem. Und man wollte arbeiten, um Geld zu verdienen, mit diesem das Fehlende kaufen zu können, das man durch seine Arbeit im Prinzip, in der Summe selbst zu erstellen bereit und in der Lage war. Aber man fand keine Arbeit, weil der „Arbeitgeber“, die schon produzierbaren Güter - mangels ordentlichem Geld – nicht verkaufen, loswerden konnte. Unser zermürbter Kriegsheimkehrer blieb so ohne wirklich „höherer Gewalt“ arbeitslos. Mußte noch Jahre nach dem Krieg seine verhungerten Kinder begraben. – Er selbst zog mit einer geliehenen Fidel durch die Gassen, sammelte - „sammelte“ ? – ihm vor die Füße geschmissene Münzen auf, ließ sich an „Stempelbuden“ – so nannte man heutige „Arbeitsagenturen“ damals - einen Stempel verpassen, wenn er ein extrem geringes „Sozialgeld“ unter dem Schaltergitter zugeschoben bekam.
Das KZ Theresienstadt nach 1938 war ein entsetzliches, unerträgliches, verbrecherisches, unentschuldbares letztlich auch Vernichtungslager für ungezählte Menschen. Aber auch Hunderttausende von nichtinhaftierten „Normalbürgern“ lebten schon in der ersten Demokratie Deutschlands in Behausungen wie in Theresienstadt. - Wer entsetzliche gedankliche Reflektionen über das „Weimarer Milieu“ für sich erträglich machen muß, der erleichtere seine Seele durch die Betrachtung von „humorvollen“ Grafiken des Künstlers Heinich Zille.
Im Zusammenhang mit dem hier wiedergegebenen Essay sollte das Wort „Tragödie“ besser für den Holocaust reserviert bleiben. – Aber die Weimarer Republik war eine Tragödie – wenn auch eine ohne millionenfachen Mord. Es herrschten da wegen der weit verbreiteten Not Wut und Aufruhr, Revolte, Mord und Todschlag. Eine selbst gleichermaßen mordsgefährliche Gegengewalt versuchte da, hilflos, Not, Wut, Aufruhr, Revolte, Mord und Todschlag in Schranken einer Ordnung zu halten, ihrer Ordnung. – Wo doch schon Friedrich Schiller wußte: „… da werden … zu Hyänen … und treiben mit Entsetzen Scherz …“. – Wann wird der Mensch zu einem zivilisations- und kulturentfremdeten „Wesen“ ? Antwort: Unter bestimmten Voraussetzungen. Und „Weimar“ „bot“ entsprechende Bedingungen. Ohne böse Absicht vielleicht, aber dann inkompetenter Weise. Denn die Tragödie Weimar war zu keiner Zeit zwingendes Ergebnis, das man hätte nicht verhindern können, keine dauerhafte Folge von Höhere Gewalt. Weimar 1918 war eine Aufgabe, eine Chance. Die hätte erfüllt werden können. Aber nicht erfüllt wurde. So daß ein Regierungschef damals es verstanden hätte, wenn er vom Volk gelyncht worden wäre. Aus Verzweiflung, aus Wut, aus Enttäuschung, aus Hilflosigkeit. - Gott sei Dank ! Die Hyänen haben ihn damals nicht … .
Aber das Volk, demokratieunerfahren, noch eigentlich demokratieunmündig, glaubte nicht mehr länger an eine bessere Welt. Alle „Systemparteien“ – das soll hier kein Schimpfwort sein – hatte man durchgeprüft - versprachen eine bessere Welt erst gar nicht mehr. Das Volk strampelte wie ein Ertrinkender, der sich - „notfalls“ - auch an der Schnauze eines Krokodils festzuhalten versucht hätte.
Da meldete sich eine vorlaute Stimme, die nicht garantierte, aber „versprach“, es gäbe eine bessere Welt. Und das Volk konnte nicht widersprechen; es konnte nur glauben oder jedenfalls verzweifelt hoffen. Ohne dieses verzweifelte Hoffen, basierend auf verzweifeltem Elend wäre Hitler nie Kanzler der Deutschen geworden, dessen Partei niemals zum beherrschenden Regime. Und die NS-Partei jedenfalls hätte keinen unsäglichen Holocaust „verübt“, verbrochen.
Und für hier beschriebenes „Weimar“ trugen die jüdischen Mitbürger Deutschlands, die Nachkommen derer, die vor 2000 Jahren aus Palästina vertrieben worden waren, nicht mehr Verantwortung – im Durchschnitt – als alle anderen Menschen im Land. Vielleicht besaßen sie verhältnismäßig viel Vermögen oder Einfluß, aber die negative Entwicklung des deutschen Staates nach 1918 haben sie keinesfalls unverhältnismäßig zu verantworten, mehr als die nichtjüdischen Maßgeblichen und Verantwortlichen. Gegebenenfalls haben sie weniger unter ihr gelitten, weil sie – durchschnittlich – diese Entwicklung besser verstehen konnten – und entsprechend – vorsorgend – reagierten als „der Rest der Welt“. Aber hätten sie sich „dümmer“ verhalten sollen, als sie waren ?
Aber sie wurden zum Feindbild genommen - irrtümlich. – Wenn es dem Menschen schlecht geht und er selbst keine Lösung und keinen Ausweg sieht; und wenn es ihm sogar sehr schlecht geht, dann sucht er am Ende nicht mehr nach einem Ausweg und einer Lösung sondern immer mehr nach einen Verursacher, einen irgendwie Schuldigen an seiner Misere. Er macht sich ein Feindbild. Psychologen kennen diesen Automatismus. In Extremfällen machen Menschen für den Tod oder die Krankheiten sogar Gott „verantwortlich“. - So ist das nun einmal. - Erklärung: Wenn Menschen in der Dunkelheit sich vor einer tödlichen Bedrohung wähnen, fühlen sie sich wehrhafter, wenn sie gewissermaßen „blind“ zuschlagen statt gar nicht und damit gegebenenfalls zu warten, bis der „Feind“ handelt. Eine Aktivität erscheint ihnen erfolgversprechender und wenn auch nur insofern, als sie ihnen nur „Mut“ macht. - Ein Lotterielos zu kaufen, bedeutet ihnen im Einzelfall mehr Chance, logische Kalkulation hin oder her, als es nicht zu kaufen.
Und weshalb wurden ausgerechnet die Juden Feindbild ? – Als die Menschen nach 1918, nach 1920, nach 1929, zum großen Teil ihres Vermögens verlustig, ziemlich durchgehend erwerbslos daran gehindert, durch Arbeit zu einem wenigstens bescheidenen Vermögen zu kommen, alle verständnislos, hilflos, ratlos, als sich die in ihrer Welt ringsum umsahen, immer also völlig ahnungslos, warum bloß sie so von Unglück heimgesucht wurden, taten sie das, was - für sie unverständlicherweise – von Unglück und Not betroffene Menschen meist tun: sie suchten, mangels Kenntnis von den tatsächlichen Ursachen ihrer schlechten bis schlimmen Lage, nach den für sie vorstellbaren Verursachern derselben, den entsprechend „Schuldigen“.
Und so fanden sie dann zwar nicht den wirklichen Schuldigen – aber ein Feindbild. Nämlich die Reichen, die Reicheren, die Gebildeten, die Mehrgebildeten, die Großen und Mächtigen, die für sie sehr großen Übermächtigen. Die von „oben“, die ihr Vermögen 1923 nicht verloren hatten, ihr Geldvermögen nicht, weil sie dieses, entsprechend gebildet, rechtzeitig in US-$ sicher angelegt hatten; die ringsum weite Ländereien, prächtige Paläste, Villen, Produktionsbetriebe und Handelsgeschäfte, Geldgeschäfte, Geldhäuser, Warenhäuser besaßen. Die Geld verdienten und dann besaßen, um kaufen zu können. Und die „Leute“ schlossen, primitiv im Sinne von ungebildet, daß die „oben“ schuld sein müßten am Schicksal von ihnen „unten“.
Zwar war dieser Schluß grundfalsch. Die „Reicheren“ waren keinesfalls explizit schuld an der Armut der Ärmeren. Sie waren nur nicht so ungebildet, „dumm“, das ihnen zugeflossene und zufließende Reichersein abzuwehren. Wären die Armen auch reicher gewesen, man hätte nichts dagegen gehabt – solange die „unten“ nicht mit Gewalt hätten „umverteilen“ wollen. Was die gar nicht gewollt hätten, wäre ihnen der Weg bekannt gewesen, aus sich heraus zu mehr Wohlstand und entsprechender Sicherheit zu kommen.
Jetzt aber hieß ihr „Feindbild“ „Finanztum“, „Internationales Finanztum“ und schließlich – weil man unverhältnismäßig viel jüdische Mitbürger als Angehörige des mächtigen „Internationalen Finanztums“ wahrnahm – „Internationales Finanzjudentum“. - So ist das zu oft mit der Nichtbildung, der Unwissenheit, den Fehleinschätzungen. Die „Reicheren“ waren tatsächlich nicht schuld an den Fehlern der Weimarer Politik - und deshalb auch mitnichten die Juden, so sie zu den „Reicheren“ gehörten.
Irrtümer sind kein Verbrehen, aber sie können den Schutzdamm gegen Verbrechen sprengen. „Da werden … zu Hyänen …“, sah Schiller. Und Schillers Hyänen waren nicht als Hyänen geboren - sondern durch Unwissenheit und Hilflosigkeit zu solchen geworden.
So einfach also kann die Erklärung alles überwältigender Entwicklungen und Geschehnisse sein ! So einfach ist die Erklärung des hier gemeinten „Feindbildes“.
Das schon an sich falsche Bild damals, speziell die – weil überwiegend reichen und deshalb mächtigen – Juden seien verantwortlich für die Wirtschaftskrisen der Weimarer Republik und damit für die Nöte der Menschen, sie seien also „volksschädlich“, steht zudem einmal im Widerspruch zu der Tatsache, daß es zu seinerzeit in hohem Maße jedenfalls die kleineren jüdischen Geschäftsleute waren, die auch ihren oft armen nichtjüdischen Kunden einen für diese freundlichen Service und besonders günstige Preise boten. Jüdische Kaufleute neigten dazu, ihren geschäftlichen Erfolg primär über eine Vergrößerung des Umsatzes statt über hohe Gewinnspannen anzustreben. – Zweitens hatten sich die jüdischen Mitbürger speziell im vorausgegangenen Weltkrieg 1914/18 besonders „volkszugehörig“ engagiert, als sie sich mit einem exemplarisch hohen Prozentanteil an den Fronten kämpfender Soldaten für die „deutsche Sache“ einsetzten. Von damals in Deutschland lebenden 400000 Juden standen 100000 (25 %) im Kriegseinsatz – dabei auch gegebenenfalls gegen etwa französische Juden kämpfend -, verloren 12000 (3 %) ihr Leben, wurden 50000 (die Hälfte der jüdischen Soldaten) verwundet, erhielten 30000 Tapferkeitsauszeichnungen. (Avi Primor, „Süß und ehrenvoll“, Bastei Lübbe, 2013.)
8. Am Ende: Die Hyper-Katastrophe
Wie kam es vom eingebildeten Feindbild zum abermillionenfachen Mord ? - Vorabfeststellung:
Der Weg von der neidgesteuerten „Reichskristallnacht“, vom Vermögensraub an den jüdischen Mitmenschen hin zum Holocaust wurde nicht stramm marschiert, wie man annehmen könnte, sondern geveitztanzt, als wilder, paranoider „Hexentanz“, nicht nach dem Rhythmus eines streng komponierten Marsches sondern nach dem wirren Stakkato einer Kakofonie. Nachdem die Weimarer Wirtschaftskrisen im Volk Angst und Abneigung wegen der angeblichen Ausbeutung durch das „Internationale Finanzjudentum“ und „Anlaß“ zu dessen angeblich notwendiger und deshalb „berechtigter Entmachtung“ geliefert hatten, gab es für das finale Höllendrama „Von der Entmachtung zum Mord“ unüberschaubar viele, im Einzelfall nur schwer exakt feststellbare, auseinanderzuhaltende, jeweils aber immer am Ende wahnhafte Motivationen.
a)Wenn die nichtjüdischen Menschen in Deutschland ihre jüdischen Mitbürger für die Wirtschaftskrisen im Weimarer Deutschland und damit für ihr eigenes persönliches wirtschaftliches und soziales Elend, die horrende soziale Ungerechtigkeit im Lande verantwortlich machten, war dieses Urteil zwar keinesfalls sachlich gerechtfertigt, war die von den Nationalsozialisten geforderte beziehungsweise vom Volk akzeptierte Politik, die Juden deshalb entsprechend zu „entmachten“, gegebenenfalls illegal, aus der Sicht der sich geschädigt fühlenden Nichtjuden jedoch legitim und logisch. Diese Politik war eine falsche, für die Juden in der Sache ungeheuer schlimme und aus deren objektiv total richtiger Perspektive unakzeptable Ungerechtigkeit. Aber sie war eine Folge der seinerzeitigen „Wirtschaftspolitik“. Vielleicht wäre es ohne die Nationalsozialisten nicht zum Holocaust gekommen, allerdings ohne die Inflation und Deflation zwischen 1918 und 1933 nicht zu deren Machtübernahme.
b) Die sogenannte Entmachtung der Juden war kein einheitlich gedachtes und durchgeführtes Phänomen. Manchen Nichtjuden tat sie leid, im konkreten Einzelfall sowieso („leider Folge einer zwangsläufigen Entwicklung“), sie akzeptierten, noch möglichst weitgehend an so etwas wie Angemessenheit und Vernunft orientiert und in manchen Fällen um Humanität immerhin bemüht, gegebenenfalls entschädigte Enteignungen und Auswanderungsvorstellungen. Sie nahmen ratlos hin, daß wohnungsenteignete Juden umgesiedelt und konzentriert wurden, werden „mußten“, wie sie meinten. - Andere degenerierte Zeit“genossen“ allerdings plünderten bei entsprechenden Gelegenheiten, zündeten jüdische Gotteshäuser an und mißhandelten ihre Opfer. „Da wurden Menschen zu …“. Aber: Ohne vorausgegangenen Wirtschaftskrisen keine – wenn auch tatsächlich unbegründete – „Entmachtung“ der Juden. Und ohne diese Entmachtungshysterie keine Gelegenheiten zu Raub und Rauditum. Dabei: Nicht alle Christen sind 2000 Jahre nach Christus schon zu Christen geworden. Viele sind nur allzu menschliche Menschen geblieben.
c) Millionen duldende „Zuschauer“haben bis 1945 nie erfahren und verstanden, wo und was mit ihren vormals Nachbarn tatsächlich genau passierte. Und was wie. Nicht nur, weil ihnen das auch nicht mitgeteilt wurde, sondern auch, weil sie sich nicht um Wissen bemühten. Sie ahnten, daß sie – scheinbar unvermeidbares aber doch unangenehm Unerfreuliches entdecken würden, wollten sie erkunden. „Gehe nicht zum Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst !“, keine imponierende Lebenslosung, aber eine „menschliche“. Und helfen hätte man den jüdischen Mitmenschen sowieso nicht können beziehungsweise mögen wollen. Meinten sie. Das Unheil wäre nicht gestoppt worden sondern am Ende schon in einem Einzelfall eskaliert. Denn: „Da werden …“.
d) Die enteigneten jüdischen Unternehmen und Positionen wurden verständlicherweise durch die Enteignung nicht überflüssig, die gestohlenen Besitztümer nicht wertlos. Es wurden also Nachfolgebesitzer gebraucht. Und es gab dann „Nachfolger“, die schon - mit Anstand - wirklich nur aufbewahren mochten. Und eben auch solche „Aufbewahrer“, die für sich dachten: „Wenn ‚die‘ aber nicht zurückkommen – dann ist es auch nicht schlimm“. Schließlich solche Räuber, die sich heimtückisch und unmenschlich brutal selbst in Nachfolgerrollen drängten und bugsierten. Manche mochten auch befürchten, daß ihnen die Verweigerung einer ihnen zugewiesenen Hehlerrolle „verübelt“ werden würde. Denn die Wirtschaft mußte auch ohne „die Juden“ weiterlaufen. Das sahen selbst die ein, die die praktizierten Methoden und „überhaupt das Ganze“ – eigentlich – nicht mit sich vereinbaren konnten. - Oben ist einmal von Kakophonie die Rede gewesen. Da werden Menschen schon leicht zu jämmerlichen menschlichen Gestalten. Traurig aber wahr. Aber Schuld ? Es gilt: Ohne die vorausgegangenen Wirtschaftskrisen hätte es keine hinreichende Versuchung und so leichte Gelegenheit gegeben, entsprechend schuldig zu werden.
e) Gewiß gab es im Laufe der Zeit auch immer komplexgeplagte „Rassenreiniger“, pseudogottesfürchtige Eiferer und selbst leistungsschwache Neider, die ihre persönlichen Ziele verfolgten. Aber die wären für sich allein nie hinreichend relevant geworden.
f) Aber dann kam der Krieg. Kam oder wurde gemacht. Jedenfalls wurde der nicht explizit gemacht, um gegen die Menschen jüdischer Herkunft und Religion vorgehen zu können. Und der Krieg „forderte“, systemimmanent, „konsequentes Handeln“.
g) Mochten die Juden zuvor „unangenehme Konkurrenten“ gewesen sein, durch ihre Entmachtung, die Art dieser, meinte man sie sich jetzt zusätzlich zu Feinden gemacht zu haben. Zu Feinden, die im Krieg - einerseits – doch auch oft unentbehrliche Kriegsrüstungskräfte waren und bleiben sollten, andererseits aber auch als „Fünfte Kolonne“ des Kriegsgegners draußen gefürchtet werden mußten. Wenn man sie nicht „internierte“, in KZs „konzentrierte“, unter Kontrolle und klein hielt – besonders die zur Rüstungsarbeit „untauglichen“ -, war das im Sinne der dem „Endsieg“ sich verpflichtet fühlenden Kriegsstrategen nicht genug „zielorientiert“. - Ein „Dilemma“, ein „Hexentanz“.
Und die Versorgungslage „im Reich“ wurde immer prekärer. Da wurde es immer schwerer, für die Eingekerkerten etwa Gleichheit in der Lebensmittelversorgung zu fordern oder zu gewährleisten oder durchzusetzen. Kriegern fällt es letztlich niemals leicht, gut menschlich zu handeln. Es gibt da am Ende immer sowohl als auch menschliche, weniger menschliche und unmenschliche Menschen. Am besten also: Keine soziale Ungerechtigkeit im eigenen Land und keine Kriege mit draußen. „Wer im Krieg human handeln will, der gefährdet den Sieg“. Von Jahr zu Jahr immer mehr mußte man damals sagen: Den vielleicht gerade noch rettenden „Sieg“. Den Untergang verhindernden. Im Krieg können Bedenken lähmend wirken, eine Belastung im Kampf ums eigene Überleben sein. Und so sind Kriege eben; sie sind ja keine Kriegsspiele.
h) Jede vorfinale Beendigung des Krieges – wann immer – zu fast welchen Bedingungen auch immer – hätte dem Holocaust zwar niemals den Teufelsrang eines Holocaust genommen. „Holocaust fängt schon ganz unten an“. Aber sie hätte sehr viele Menschenleben gerettet. Wenn auch immer zu wenige – weil doch immer zu spät.
i)Man kann es so oder so rechnen:Entweder bereits zwischen dem 10.05.41, dem Tag, an dem Hitlers „Stellvertreter“ Heß von Deutschland nach England flog, um dort, wie – allseits – ehrlich das auch immer gemeint und realistisch gedacht war, so etwas wie Nichtweiterkrieg einzuleiten, und dem 22.06.41, als Hitler es Napoleon zu zeigen versuchte, wie man in Rußland einen Blitzsieg einfährt. Oder am 15.01.42, als dieser Hitler persönlich anordnete, die Einnahme Moskaus zunächst einmal zu verschieben, und der deutschen Wehrmacht befahl, weit westlich der russischen Hauptstadt ihre aufgeweichte Front zu „begradigen“.
Am 20.01.42 wurde die jetzt als „Endlösung“ bezeichnete Entmachtung der Juden, durch Mord gegebenenfalls, die zuvor bereits quasi inoffiziell, einzeln oder in größerem Rahmen, geplant oder spontan „praktiziert“ wurde, auf der sogenannten Wannsee-Konferenz gewissermaßen – und dabei genauer strukturiert – „notariell veramtlicht“.
Oder Anfang 1943, als der Kampf um die Wolga-Stadt Stalingrad im Blut von mehreren Hundertausend getöteter Menschen und wohl fünfzig Tausend verendeter Zugpferde (von Blitzkrieg war inzwischen nicht mehr laut die Rede) versank.
Zu einem dieser Zeiten begann in Deutschland die Götterverfinsterung, machte sich da und dort, dort mehr und schneller als anderswo, vom Bauch her zum Kopf strebend, das Gefühl, die Ahnung, die intelligente Einsicht immer breiter, daß – nun – der Krieg wohl verloren war, weil er zu verlieren begonnen hatte. Und dementsprechend veränderte sich an der „Heimatfront“ die Lage.
Während man bis dahin– wie wurde oben bereits eindeutig festgestellt und braucht nicht mehr wiederholt zu werden – bereits Millionen Juden höchstwahrscheinlich zu Feinden gemacht hatte, so lag die „entsprechende Akte“ aber bis jetzt noch weitgehend auf Termin. Und der NS-Staat bestimmte die „Spielregeln“, die verbrecherischen, hatte die Initiative, agierte und mußte – noch – nicht reagieren. – „Pragmatiker“ setzten die „konzentrierten“ Juden - „inhaftierten“ klänge zu beschönigend – als benötigte Produzenten von todnotwendigen Waffen und lebensnotwendigen anderen Gütern in der männerfreien Zone Deutschland ein. Aber mit der Zeit, so analysierten entsprechende „Fachleute“ mögliche zukünftige Entwicklungen, eines Tages könne es so kommen, daß die jüdischen Opfer Waffen nicht nur herstellen sondern am Ende diese Waffen auch gegen die Nichtjuden würden einsetzen können. In den KZs mochten manche Nationalsozialisten eine zukünftig von innen sich aktivierende oder dann oder wann von außen aktivierte „Résistance“ befürchtend sehen. Man stelle sich vor: Menschen, die nur zu gewinnen haben, brechen europaweit und insgesamt millionenfach aus lächerlich schwach bewachten KZ-Lagern aus ! „Während die deutsche Arme Sicherheit und Unterstützung für ihren Rückzug benötigt“. Und es waren nicht nur NS-Anhänger, die die deutschen Soldaten schützen wollten, Soldaten, die überwiegend Pflichtsoldaten und durchweg Väter, Söhne und/oder Brüder waren.
In diesem „Dilemma“ glaubte das Regime nicht mehr fest daran, das Heft noch fest in seiner Hand zu halten. Der Glaube an noch zu erwartende deutsche Wunderwaffen und die Wunderwirkung eines „totalen Krieges“ machte noch viele Augen trüb, lähmte das Denken, aber – Entschuldigung – in die Hosen schlich sich Angst ein. Wie würden die jüdischen Nachbarn von einst, die man sich zu Feinden, Feinden in einem „rückläufigen“ Krieg gemacht hatte, nach der Stunde X agieren ?
Jetzt „mußten“ – „zwangsläufig“ - die Nationalsozialisten und die anderen Nichtjuden so reagieren – und zwar widersprüchlich, wie immer, wenn man nicht sicher weiß, welches die am Ende wichtigste richtige Entscheidung ist: Die einen sahen - und übten auch – in jedem „kriegswichtigen“ Arbeitseinsatz der Juden wesentlich eine Rettungsmaßnahme für diese. Es hätten sich vielleicht mehr Menschen menschlich und trotzdem mutig eingesetzt, wenn es nicht das Durcheinander unabhängiger, sich gegenseitig manchmal gar nicht wahrnehmender, streitiger, sich behindernder Interessen gegeben hätte.
Andere dagegen sahen in den eingesetzten Juden nur eingesetzte Maschinenbediener, die ausgetauscht oder durch „neue frische Kräfte“ ersetzt werden konnten. Es gibt immer Menschen, deren Kopf ist nicht mehr als ein PC-Rechner.
Wiederum andere hatten primitive Angst: Der von ihnen befürwortete Einsatz in der Rüstungsindustrie könnte statt als Einsatz für den Sieg als Schutzmaßnahme für die Juden mißverstanden - oder richtig verstanden - werden.
Und dann gab es naturgemäß auch „unnatürliche Hyänen“. Die psychopatischen Ideologen („Lieber ‚reinrassig‘ sterben als durch die Hilfe von Juden überleben. Also sollen ‚die‘ mit uns, vor uns sterben !“) und die hyperpflichtbewußten Kalkulierer („Was jemand ißt, der - schon morgen ? - nicht – mehr - arbeiten kann, fehlt demjenigen, der noch weiter arbeiten kann, soll. Warum soll jemand, der wahrscheinlich doch bereits morgen stirbt, heute das Brot desjenigen verzehren, der damit noch lange leben soll, muß ?“). Solche Gedanken gab es in der Apokalypse und entsprechende Gedanken kakofonierten und wurden als Geistes- und Moralgerümpel oft unfaßbar konsequent in Taten umgesetzt. – Entsetzlich ! Unmenschlich ! Unmenschlich ? Nein ! Doch ! Denn so ist er, der Mensch - Wenn man ihn läßt, seine normalerweise konstruktive Persönlichkeit zerstört, gar nicht erst entstehen läßt. Im Laufe der Geschichte, von 1918 an.
Schließlich waren da die tauben, dumpfen, arbeitsvertragsverpflichteten, ordnungsgemäß ihre „Pflicht“ erfüllenden „Schreibtischtäter“ („Ich durchschaue das Ganze nicht, aber der ‚Führer‘ wird‘s schon wissen; also vertraue ich, folge ich ihm“). - Und die perversen Wesen in Menschengestalt, die die „Freude“ und die Beteiligung am Elend anderer Lebewesen, dann eben auch der Menschen, „genießen“. Kranke Lustunholde also. - Die letztgenannten „persönlichkeitsarmen“ beziehungsweise außerhalb ihrer fleischlichen Existenz völlig kranken Täter und Mittäter spielten beim Vollzug des Holocaust aber nicht die wirklich entscheidende Rolle. Sie waren faule und verfaulte Rädchen im Getriebe, die sich aber ohne Kurbeln oder Transmissionsriemen gar nicht hätten bewegen können.
Am Ende Tiefenpsychologie. – Der Holocaust hatte viele Motivationswurzeln, die unabhängig voneinander und parallel zu einander wirksam waren, auch gegeneinander, die gerade noch, auch wenn diese absolut nicht hinnehmbar waren, immerhin ihre innere Logik besaßen. Manche waren leicht erkennbar, andere waren so versteckt, daß man nur schwer glauben mag, sie könnten überhaupt Relevanz gehabt haben. Manchmal war das Motiv schlicht eine psychische Krankheit, manchmal war das Motiv unkontrollierbare Panik. Und alles wirkte – mal mehr, mal weniger; alles wirkte durch die Summe.
Fangen wir mit einem banalen Vergleich an: Wenn jemand jemandem sehr schmerzhaft auf den Fuß tritt und der Betroffen daraufhin spontan und unkontrolliert, wütend, auf diesen Jemand eindrischt, diesem dabei, letztlich so weit wie schlimm unbeabsichtigt, ein Auge ausschlägt, neigt der Schläger dazu, seine Verantwortung für das unverhältnismäßig schlimme Geschehen und sein entsprechend schlechtes Gewissen so weit wie möglich auf den Fußtreter weiterzuleiten. „Wenn Du nicht … dann wäre das jetzt nicht passiert“.
Die Analogie wirkt in höchstem Maße makaber: Aber die meisten Holocaust-Verbrecher hatten schon auch ein schlechtes Gewissen – Entschuldigung für diesen Euphemismus, sie hatten dann wenigstens ein schlechtes. - Sie wußten schon – wenn auch „unbewußt“ – was sie da Unmenschliches anrichteten, verbrachen. Solange sie sich dann vor sich selbst hinter der Ausrede verstecken konnten, eine „große Sache für ihr Volk“ zu verrichten, dazu noch eine „verdammt unangenehme“, wie sie sich bemitleidet haben mochten, denn heiter war das Leben an der KZ Mordmaschine ja nicht, solange holte sie ihr schlechtes Gewissen nicht ein. Aber als ihnen ihr pseudoedles Motiv zerbrach, es um sie herum mehr und mehr „finster“ wurde, da benötigten sie, um nicht in eine ultimative Depression zu verfallen, jemanden, auf den sie ihre Schuld weiterschieben, projizieren konnten. Es ist bizarr und unerträglich. Aber nicht wenige Judenmörder, mehr oder wenige handgreifliche oder entsprechende Schreibtischtäter, gaben irgendwann – psychopathisch – den Juden, den Opfern die Schuld an der von den Tätern bewerkstelligten Apokalypse. „Wenn ihr nicht … dann hätte ich nicht – müssen“ - Müssen !?. – Ja, so krank kann Seele sein !
Und sie „bestraften“ dann geradezu ihre „schuldigen“ Opfer, indem sie sie weiterhin opferten. Sie flohen so vor der „Aussicht“, irgendwann etwa mit ihren Opfern, so diese überleben würden, leben zu müssen. „Gemeinsam“ mit diesen ! Eine Wahnsinnsvorstellung, ein Wahnsinnsbild in den Köpfen der Verbrecher, die sich am Ende nicht einmal mehr mit der Selbsteinrede trösten können würden, „es“ für eine „große Sache“ getan zu haben.
Man kann das Verhalten und Vorgehen der für den Holocaust Verantwortlichen auch als eine Art Amoklauf verstehen. Als man sein Ende „voraussah“ – und das „sahen“ viele schon frühzeitig – wurde nach dem Motto reagiert: Wenn wir „gehen“ müssen, dann sollt auch ihr gehen. - Dieses Wahnsinnsbild dürfte schon bald, eben von dem Zeitpunkt an, von dem aus es mit der NS-Ideologie „bergab ging“, 1941, 1942, 1943, den Holocaust sehr bedeutsam „mit vorangetrieben“ haben. Hin zum Finale der Tragödie, die 1920 und 1930 begonnen hatte.
Rette sich, wie er kann. – Man stelle sich vor: Da waren in der Verantwortung des NS-Regimes Millionen Menschen jüdischer Religion und jüdischer Herkunft ermordet worden. Und nun ging die Zeit der „Berufstätigkeit“ von dazugehörigen Mördern ihrem Ende entgegen. Da mußte man wohl mit einer folgenden Abrechnung rechnen. Mit einer Rache, deren Ausmaß sich am Ausmaß der zu rächenden Untaten hätte orientieren können ! Das hätte für doch die zahlreichen tatsächlichen Täter verständlicherweise angemessen konsequent ausgehen können und für das – aus denkbarer jüdischer Perspektive gesehen – „Publikum“ gegebenenfalls entsetzlich tragisch. – Also versuchte „man“, (sich) zu retten, indem „man“ auf der panischen Flucht vor zu erwartenden Konsequenzen - noch „präventiv angriff“. Jetzt ein vorgestelltes, befürchtetes „jüngstes Gericht“ zu entmachten. - Denn: Entsetzlich ! Entsetzlich, was da hätte geschehen können !
Aber dann geschah nur ein Wunder. – Dem gemeinsamen Gott sei Dank ! – Es gab keine Rache. - Nein, keine Rache. - Die Holocaustüberlebenden bemühten sich allenfalls ein wenig um Gerechtigkeit – aber übten keine Rache. - Nicht die vielleicht da und dort in panischer Angst erwartete, nicht die vielleicht auch da und dort notgedrungen verstandene. – Nein, keine Rache. Nur das Bemühen: Nicht noch einmal !
Und in diesem Bemühen sollten die nichtjüdischen und die jüdischen Menschen heute und in Zukunft eng zusammenwirken. - Müssen sie eng zusammenwirken. - Ernsthaft, nicht mit Deklamationen, nicht mit den Waffen „Vorwurf“ oder „Verteidigung“ sondern durch sehr intensives gemeinsames Nachdenken. - Nachdenken über den oft tragischen Weg zwischen Inkompetenz als Ursache und Verbrechen als Folge.